Der freie Wille und die Quantenphysik:

Der freie Wille und die Quantenphysik
Tun wir wirklich was wir wollen?



Hirnstrom-Messungen haben gezeigt, dass das Bewusstsein dem Unbewussten zeitverzögert folgt. Eine vom Hirn geplante Handlung wird uns erst Millisekunden vor der Handlung bewusst.
Die Idee, dass wir eine Absicht formulieren und dann danach handeln, erscheint überzeugend, scheint aber auch falsch.

«Wir tun also nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun.»



Unsere Erfahrungen lassen doch eher vermuten, dass wir etwas planen und dann ausführen, dass wir einem freien Willen folgen und dann entscheiden. Doch dies scheint ein Irrtum zu sein. Es wird uns schwer fallen, unser Worte in einem Gespräch im Voraus zu kennen. Die Sprache ist also nicht das Produkt unseres Bewusstseins. Vermutlich müssen wir die Worte erst ausgesprochen haben damit sie uns auch bewusst werden?
Wäre Sprache das Produkt unseres Bewusstseins, wäre dies einfach. Vermutlich müssen wir unsere Worte also erst gehört haben, um zu wissen, was wir sagten.

Mittlerweile diskutieren auch Teilchenphysiker, ob es einen freien Willen gibt. Ihr Ausgangspunkt ist die Quantenphysik. Ihr zufolge ist die Welt der Quanten – also Elektronen, Quarks, Photonen und so weiter – vom Zufall und von Wahrscheinlichkeiten bestimmt.
Feste kausale Abläufe gibt es darin nicht, und damit keine Determiniertheit, das heisst, dass die Ergebnisse bei bestimmten Abläufen nicht eindeutig vorher bestimmt werden können.
Unsere Handlungen würden nicht einem freien Willen unterliegen sondern von Zufall und Wahrscheinlichkeiten bestimmt sein. Ein festes Zeitgerichtetes und determiniertes Verhalten kann man darin nicht erkennen. Vielmehr wäre eine Ursache und Wirkung, ein Aktion und Reaktion Verhalten erkennbar.

So glaubt der niederländische Nobelpreisträger Gerard ´t Hooft, dass es eine fundamentalere Theorie als die Quantenmechanik geben müsse, die den Determinismus – also die klare Zuordnung von Ursache und Wirkung – wieder herstellen kann. Dann aber wäre das Schicksal des Universums und aller darin befindlicher Objekte von Anfang an festgelegt (daran hat übrigens auch Albert Einstein schon geglaubt, der sich zeitlebens gegen die Unbestimmtheiten in der Quantenwelt wehrte und unter anderem mit dem berühmten Ausspruch «Gott würfelt nicht» ausdrückte).

Wenn wir davon ausgehen, dass ein Elementarteilchen seinen Zustand erst im Moment der Messung – im Moment der Entscheidung – bewusst wird, so ist die Möglichkeit des Determinierten Zustandes gegeben.
In diesem Fall aber können die Teilchensysteme im Kosmos nicht spontan von einem Zustand in einen anderen übergehen. Das schliesse auch uns Menschen ein, einen freien Willen könne es unter diesen Umständen nicht geben.
Dem widersprechen andere Physiker angesichts der Erfolge der Quantentheorie vehement.
Auch wenn uns das Verschränkungs- oder Doppelspalt-Experiment glauben lässt, dass sich Informationen mit Überlichtgeschwindigkeit verbreiten können, so ist dies lediglich auf die bereits vorhandenen Komponenten der für die Entscheidung relevanten Faktoren wie; Messgenauigkeit, Messverfahren und die physikalische Beschaffenheit der experiment-Struktur zurückzuführen. Wir können uns zwar durchaus Überlichtgeschwindigkeit vorstellen, sollten aber zuerst alle anderen bekannten Möglichkeiten des Informationsaustausches ausschliessen.

«Wenn der Nobelpreisträger; Gerard ´t Hooft recht hat», spottet Antoine Suarez vom Zentrum für Quantenphilosophie in Zürich: «dann führte er seine Arbeiten nicht als das Resultat seines eigenen Willens aus. Es war seine Bestimmung von Anbeginn der Zeiten. Deshalb müsste eigentlich der Urknall seinen Nobelpreis erhalten»

Der freie Wille und die Quantenphysik


Wer kann sich sicher sein, dass wenn wir uns entscheiden – das eine oder andere zu tun – dass dabei nicht gleichzeitig beide Entscheidungsmöglichkeiten zum Tragen kommen?
Nach einem Entscheid konzentrieren wir uns lediglich auf die eine Handlung – nämlich die – die wir dann auch tun!

Die Quantenphysik besagt, dass Teilchen nur dann als solche wahrgenommen werden, wenn sie beobachtet werden.
Wir konzentrieren uns nach einem Entscheid auf die Handlung des Entscheides und vergessen oder verdrängen den Zustand und die möglichen Konsequenzen des ablehnenden Entscheides.

Kierkegaard schrieb vor 200 Jahren sinngemäss: «Tue es und du wirst es bereuen – tue es nicht und du wirst es auch bereuen»
Wir können uns das so vorstellen, dass wir z.B. bei einem Kauf-Entscheid durch das abwägen von ja und nein, auch die Konsequenzen des Nicht-Entscheides tragen müssten.

Egal wie wir uns entscheiden, ich denke, wir müssen immer die Konsequenzen beider Entscheidungs-Möglichkeiten tragen. Wir könnten zwar in der Wahl der einen oder anderen Handlung einen freien Willen erkennen, doch das ist eine Illusion – ein Trugschluss – denn bei einer determinierten Denkweise stand schon zum vornherein in der Auswahlmöglichkeit fest, welche Konsequenzen uns erwarten werden.
Auch wenn wir uns entschieden haben, in der Annahme, dass es für uns die vernünftigere Wahl sei, so müssen wir die Konsequenz der Nichtwahl auch tragen, weil sie aus dem Ursprung der Auswahlmöglichkeiten hervorging und diese wie das Wort schon ausdrückt ursprünglich ist – also der Evolution – dem Lauf der Dinge entsprungen ist.
Dies mag auf den ersten Blick utopisch anmuten – findet jedoch in der Quantenphysik seine Herausforderung. Dort wird im Doppelspalt- und im Verschränkungs-Experiment der subatomaren Teilchen dieser Informationsaustausch untereinander zum Thema gemacht. Warum also solche Überlegungen nicht auch auf das philosophische Denken anwenden?

2014 Kurt Spalinger-Røes